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Beispiele und Aufgaben im Modul I-2 Begriffe und Axiome zur Wahrscheinlichkeit
1. Beispiele
a) Einfache (eindimensionale)
Ereignisse
In einem 15 -köpfigen Vorstand mit
5 weiblichen und 10 männlichen Mitgliedern soll der Vorsitz
nach dem Zufallsprinzip bestimmt werden. Wie groß sind die
geschlechtsspezifischen Chancen?
Die Wahrscheinlichkeiten für
die Wahl einer Frau bzw. eines Mannes für den Vorsitz ergeben
sich nach dem klassischen objektiver Wahrscheinlichkeitsbegriff wie
folgt:
und
b) Zweidimensionale Ereignisse
Ob Ereignisse abhängig oder unabhängig voneinander sind,
hängt bei Auswahlexperimenten von der Ziehungsmodalität ab.
Unabhängige Ereignisse
Ein Beispiel: Eine
Urne enthält drei rote und eine blaue Kugel. Gezogen wird mit
Zurücklegen.
Wie groß ist dann
beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, bei zwei aufeinander folgenden
Ziehungen zweimal rot zu ziehen?
Es gilt hier der
Multiplikationssatz für unabhängige Ereignisse:
Abhängige Ereignisse
Wird jedoch ohne
Zurücklegen gezogen, sind die Ereignisse abhängig
voneinander, also:
Es gilt hier der
Multiplikationssatz für abhängige Ereignisse:
c) Mehrdimensionale Ereignisse
Fragestellungen wie dieses einfache Urnenexperiment werden sehr
schnell komplexer, wenn sich die Anzahl der Ziehungen und der
Elemente erhöht (wie wahrscheinlich wäre es etwa bei drei
Ziehungen ohne Zurücklegen zwei rote und die eine blaue Kugel zu
ziehen?).
Solche Probleme lassen sich mit Hilfe eines sog.
Wahrscheinlichkeitsbaumes lösen:
Ein Beispiel: Ein 15
-köpfiger Vorstand wählt drei
Sprecher aus. Von den 15 als Kandidaten in Frage kommenden Personen
sind 10 männlich und 5 weiblich. Jeder Kandidat kann nur einmal
gewählt werden.
Um die Wahrscheinlichkeit für die verschiedenen möglichen
Konstellationen zu ermitteln wird der Wahrscheinlichkeitsbaum des
Wahlvorganges benötigt (wobei die Wahl hier als
Zufallsexperiment angesehen wird).
Abbildung I-6: Wahrscheinlichkeitsbaum
Soll die Reihenfolge der Wahl der Kandidaten nicht berücksichtigt
werden, so müssen die Wahrscheinlichkeiten entlang der Äste
des Baums multipliziert sowie die Wahrscheinlichkeiten der Äste,
die zu gleichen Konstellationen führen addiert werden.
So ergibt sich beispielsweise als Wahrscheinlichkeit, dass drei
Männer gewählt werden:
Dies ist die einfachste Variante, da es nur einen Ast (in der Abb.
der linke) gibt, der zu verfolgen ist.
Anders bei der Konstellation „ein Mann, zwei Frauen''. Hier
gibt es drei Äste mit:
d) Das Ziegenproblem - Ein Spiel mit der Wahrscheinlichkeit
Spielregeln:
Es gibt drei Türen. Hinter einer befindet sich der Geldgewinn, hinter den beiden anderen eine Niete (hier ein fußlahmer Esel). Im ersten Schritt entscheidet sich der Kandidat für eine der drei Türen. Danach öffnet der Moderator eine der beiden anderen Türen, hinter der sich eine Niete befindet. Daraufhin kann sich der Kandidat entscheiden, ob er bei der zuerst gewählten Tür bleibt, oder sich für die andere Tür entscheidet.
Frage: Wann hat der Kandidat die besseren Chancen auf den Hauptgewinn? Wenn er bei seiner ersten Entscheidung bleibt, oder wenn er die Tür wechselt?
Graphische Veranschaulichung der SPIELANLAGE:
1. Schritt: Ein Quizzmaster zeigt dem Kandidaten 3 Türen, wobei sich hinter einer Tür ein Schatz und hinter zwei Türen jeweils ein Esel befindet.
2. Schritt: Der Kandidat wählt Tür 1: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kandidat den Schatz gewählt hat?
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kandidat mit Tür 1 den Schatz gewählt hat, ist offensichtlich 1/3.
3. Schritt: Der Quizzmaster öffnet nun nicht die Tür 1 sondern die Tür 3, hinter der ein Esel steht und fragt den Kandidaten, ob er jetzt von der Tür 1 auf die Tür 2 wechseln will, um seine Gewinnchancen zu erhöhen.
4. Schritt: Frage: lohnt es sich zu wechseln oder ist das für die Gewinnchance egal?
Eine erste anschauliche Lösung zeigt die folgende Abbildung:.
Danach verdoppelt sich die Gewinnchance auf 2/3, wenn der Kandidat von der Tür 1 zur Tür 2 wechselt.
Eine formelmäßige Lösung basiert auf dem Satz von
Bayes (vgl. dazu auch den nachfolgenden Hinweis).
In dem folgenden Applet "Let's make a deal" der University of California, San Diego können Sie selbst Ihr Glück versuchen.
2. Aufgaben
a) Aufgaben zum Begriff der Wahrscheinlichkeit
Wie wir gesehen haben, sind Wahrscheinlichkeiten in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich zu definieren
Nach welchem Konzept also würden Sie P(A) bestimmen für:
b) Aufgaben zu Wahrscheinlichkeitsoperationen
Im Folgenden haben Sie die Möglichkeit,
Wahrscheinlichkeitsoperationen anhand von
vorgegebenen Aufgabenstellungen durchzuführen und anhand bereitgestellter Musterlösungen
zu überprüfen. Dazu finden Sie am Ende dieser Seite einen Link
auf die Musterlösungen zu diesen Aufgaben.
Aufgabe (1) Im Zusammenhang einer Erhebung über den
Energieverbrauch privater Haushalte seien folgende Ereignisse
definiert:
A: ein Haus ist aus Ziegeln gebaut
B: Es ist mehr als 30 Jahre alt
C: Ein Haus wird mit Öl geheizt.
Wenn Sie den Ereignissen Flächen
zuweisen, deren Größe der vermuteten realen Bedeutung
entspricht
Welche Größenordnung
ergibt sich für die Gesamtflächen und die Schnittflächen?
Woraus resultiert die räumliche
Zuordnung der Flächen zu A, B und C?
Beschreiben Sie die folgenden
Ereignisse als zusammengesetzte Ereignisse, Schnittmengen und
Komplemente und stellen Sie sie graphisch dar:
Ein Haus ist mehr als 30 Jahre
alt und wird mit Öl beheizt.
Ein Haus ist nicht aus Ziegeln
gebaut.
Ein Haus wird mit Öl beheizt
oder ist älter als 30 Jahre.
Ein Haus ist aus Ziegeln gebaut
und wird nicht mit Öl beheizt.
Welchem Ereignis ist ein neues, elektrisch beheiztes
Holzferienhaus zuzuordnen?
c) Aufgaben zur Wahrscheinlichkeitsrechnung
Im Folgenden haben Sie die Möglichkeit,
Wahrscheinlichkeiten anhand von
vorgegebenen Aufgabenstellungen zu berechnen und Ihre Berechnungen anhand bereitgestellter Musterlösungen
zu überprüfen. Dazu finden Sie am Ende dieser Seite einen Link
auf die Musterlösungen zu diesen Aufgaben. In der dort
präsentierten Musterlösung zur Aufgabe 5 findet sich auch
eine wahrscheinlichkeitstheoretisch begründete Behandlung des
Ziegenproblems.
Aufgabe (2) In einem Raum befinden sich fünf
wahlberechtigte Personen, von denen bei der nächsten Wahl drei
,,blau" und zwei ,,gelb" wählen wollen. Die Blauwähler
sind mit den Zahlen eins, zwei und drei, die Gelbwähler mit den
Zahlen vier und fünf gekennzeichnet. Als Menge notiert haben wir
also E = {B1, B2, B3, G4,
G5}. Es werden jetzt Experimente in Form einer Auswahl
einer oder mehrerer Personen durchgeführt.
Zunächst wird eine Person
ausgewählt
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, den Gelbwähler mit der Nummer 4
auszuwählen?
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, einen Blauwähler auszuwählen?
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, einen Blauwähler oder einen Gelbwähler
auszuwählen? Nun werden nacheinander zwei Wähler
ausgewählt, der erste jedoch vor Auswahl des zweiten
zurückgelegt
Wie sieht der Ereignisraum aus?
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, in beliebiger Reihenfolge einen Gelbwähler
und einen Blauwähler zu ziehen?
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, zuerst einen Gelbwähler, dann einen
Blauwähler zu ziehen?
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, fünf als Summe der Nummern der beiden
Wähler zu erhalten? Nun werden nacheinander (ohne
Wiederholung) zwei Wähler gezogen
Wie sieht der Ereignisraum für
dieses Experiment aus?
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, einen Gelbwähler und einen Blauwähler
zu ziehen?
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, zuerst einen Gelbwähler, dann einen
Blauwähler zu ziehen? Beim letzten Experiment werden
nacheinander (mit Wiederholung) drei Wähler ausgewählt
Sowohl bei der ersten, als auch bei der zweiten Ziehung wird
je ein Gelbwähler gezogen. Wie groß jetzt ist die
Wahrscheinlichkeit, bei der dritten Ziehung ebenfalls einen
Gelbwähler zu erhalten?
Aufgabe (3) Bei einem zweimotorigen Flugzeug der Firma
Sicherheit fällt im Laufe der Gesamtlebenszeit mit einer
Wahrscheinlichkeit von 0,001 das Triebwerk 1 und mit einer
Wahrscheinlichkeit von ebenfalls 0,001 das Triebwerk 2 aus. Mit einer
Wahrscheinlichkeit von 0,0001 fallen beide Triebwerke unmittelbar
nacheinander aus.
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, dass keines der
Triebwerke ausfällt? Stellen Sie dieses Ereignis im Venn
-Diagramm dar
Sind die beiden Ereignisse von
einander unabhängig?
Wie groß ist die bedingte Wahrscheinlichkeit für
den Ausfall eines zweiten?
Aufgabe (4) Ein Betriebsrat, der aus zehn Männern
und fünf Frauen besteht, wird einen dreiköpfigen
Sprecher(innen)rat wählen.
Bei einem überbetrieblichen
Vergleich stellt sich heraus, dass in nur
60 % aller vergleichbaren Fälle das Geschlechterverhältnis
des Sprecher(innen)rats dem des Betriebsrates entspricht (nämlich
2:1) und dass in 25 % aller Fälle
sogar nur Männer im Sprecherrat vertreten sind. Kann man aus
den gegebenen empirischen Daten folgern, dass
in der Mehrzahl der Wahlen die Männer die größeren
Chancen hatten? Antworten Sie spontan!
Berechnen Sie nun die Wahrscheinlichkeit, dass
dem Sprecher-Rat 1) kein Mann, 2) ein Mann, 3) zwei Männer, 4)
drei Männer angehören? (Für jede Person wird jeweils
ein Wahlgang durchgeführt.)
Aufgabe (5) In einem Quizprogramm
können die Kandidaten eine von drei verschlossenen Türen
auswählen, bei denen hinter einer der Hauptgewinn, ein Auto, und
hinter den anderen beiden die Nieten, je eine Ziege, warten. Nach dem
sich der Kandidat für eine der Türen (z.B. A) entschieden
hat, öffnet der Showmaster nun nicht die gewählte Tür
(A), sondern eine andere (C), von der er weiß, dass
dahinter eine Ziege steht, und bietet dem Kandidaten an, seine
ursprüngliche Wahl (A) nochmals zu überdenken. Verbessert
oder verschlechtert der Kandidat seine Chancen auf den Hauptgewinn,
wenn er sich nun für Tür (B) entscheidet oder bleiben die
Chancen gleich?
Aufgabe (6) Ein Vater sagt zu seinem Sohn: ,,Du bekommst
mehr Taschengeld, wenn Du von drei Tennispartien, die Du abwechselnd
gegen mich und Deine Mutter spielst, zwei hintereinander gewinnst."
Die Wahrscheinlichkeit des Sohnes, gegen seinen Vater zu gewinnen,
betrage 0,5; da die Mutter eine schwächere Tennisspielerin ist,
betrage die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges des Sohnes über
die Mutter 0,8. Die Ergebnisse der einzelnen Spiele seien als
unabhängig von einander anzusehen. Berechnen Sie die
Wahrscheinlichkeit einer Taschengelderhöhung
für die Fälle, dass der Sohn erst
gegen den Vater antritt, danach, dass er
erst gegen die Mutter spielt. Bei welcher Entscheidungsalternative
hat der Sohn die größeren Chancen? Zeigen Sie die
Rechenwege klar auf!
Aufgabe (7) Drei Maschinen A, B und C produzieren 50%,
30% bzw. 20% der gesamten Produktion eines Betriebes. Die
Ausschussanteile der Maschinen betragen 3%,
4% bzw. 5%.
Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit für das Ereignis: ,,ein zufällig
ausgewähltes Stück ist defekt"?
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für das
Ereignis: ,,ein zufällig ausgewähltes defektes Stück
stammt von Maschine A"?
Aufgabe (8) Der Datenreport 1992 (Stat.
Bundesamt (Hrsg.): Datenreport 1992, S.86) meldet für das Jahr
1989, dass aus Arbeiterhaushalten ca. 9 %
der 10-15jährigen Kinder aufs Gymnasium gehen. Aus
Angestelltenhaushalten sind es ca. 35 %, aus Beamtenhaushalten ca. 45
% und aus Selbständigenhaushalten ca.
32 %. Der Anteil der einzelnen Haushaltstypen an der Gesamtzahl der
Herkunftshaushalte beträgt 38 % bei den Arbeiterhaushalten, 44 %
bei den Angestelltenhaushalten und je 9 % bei Beamten- und
Selbständigenhaushalten. Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig
ausgewähltes Kind auf das Gymnasium geht? Wie groß ist
die Wahrscheinlichkeit, dass es aus einem Angestellten- bzw. aus
einem Arbeiterhaushalt stammt?
Zur Musterlösung der
Aufgaben
(1) bis (8)
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