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ViLeS 1 > I Einführung in die deskriptive statistische Datenanalyse > I-1 Die empirischen Grundlagen der Statistik > Der empirisch-statistische Informations- und Forschungsprozess

Der empirisch-statistische Informations- und Forschungsprozess im Modul I-1 Die empirischen Grundlagen der Statistik

Im folgenden Tableau wird Verlauf einer empirischen Untersuchung vorgestellt (vgl. Litz H.P.: Statistische Methoden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 3. Auflage, München 1998, S.12 - 24). Dieser ist idealtypisch am Ablauf eines empirischen Forschungsprozesses orientiert.

Dabei betrachten wir zuerst den chronologische Ablauf des empirisch-statistischen Gesamtprozesses von der Entdeckung eines Informationsdefizits bis zur Interpretation der statistischen Ergebnisse. Diese beinhalten im Einzelnen folgende Aufgaben und Arbeitsschritte:

a) Der chronologische Ablauf

  1. Die Anstoßphase (Entdeckung des Problems):
    Konfrontation mit einem Informationsdefizit; Aufdecken von Lücken oder Widersprüchen in vorliegenden Daten; Komplettierung, Aktualisierung oder regionale bzw. sachliche Ausweitung vorhandener Informationen; Statistische Überprüfung von vermuteten Strukturen und Entwicklungen im Handlungsfeld.

  2. Die theoretische Phase (theoretische Fundierung des Forschungsprozesses):
    Sichtung des vorhandenen theoretischen und empirischen Wissens; Eingrenzung und Strukturierung der Fragestellung; Zusammenstellung von Modellen, Theorien und Hypothesen zum Gegenstandsbereich; Definition von Begriffen und Formulierung von Arbeitshypothesen; Analyse der Interaktionsmuster im Untersuchungsfeld.

  3. Die konzeptionelle Phase (methodische Spezifizierung des Erhebungsinstruments):
    Erarbeitung der empirisch-statistischen Methoden; Auswahl des/der Erhebungsinstrumente(s) (quantitativ/ qualitativ); Festlegung des Erhebungsverfahrens (Totalerhebung/ Stichprobe), der Erhebungsform (individuell/ aggregiert), des Zugangs (eigene Erhebungen/ Rückgriff auf Betriebsdaten/ Vergabe an professionelle Einrichtungen der Marktforschung) und des Erhebungsrhythmus (einmalig/ periodisch/ Panel); Erstellung eines Auswahlplans.

  4. Die Operationalisierungsphase (Konkretisierung und Ausformulierung der Erhebungsinstrumente):
    Operationale Definition der Begriffe; Auswahl geeigneter Indikatoren; Erarbeitung bzw. Rückgriff auf Systematiken und Klassifikationen zu den Merkmalsausprägungen Entwicklung eines Auswertungskonzeptes.

  5. Die Erhebungsphase (Organisation und Durchführung der Feldarbeit):
    Klärung der Rechtsgrundlagen und des Datenschutzes; Kalkulation der Kosten und Sicherung der Finanzierung; technisch-organisatorische Vorbereitung (Festlegung des Erhebungsweges, Druck der Erhebungsunterlagen/ Programmierung eines online-Fragebogens, Interviewerschulung usw.); Pretest der Erhebungsinstrumente und des Zugangs zum Feld; evtl. Reformulierung des Erhebungsdesigns; Durchführung der Erhebung (Aufzeichnung der Erhebungsinhalte, Protokollierung der Erhebungssituation und des Erhebungsablaufs); Korrektur- und Kontrollerhebungen.

  6. Die Mess- und Kodierungsphase:
    Rücklauf der Erhebungsunterlagen an die Erhebungsstellen; Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben; Kodierung bzw. Rekodierung der Erhebungsinhalte.

  7. Die Aufbereitungsphase (Datenbereinigung):
    technische Aufbereitung der Rohdaten; Durchführung von Signier- und Plausibilitätskontrollen sowie von Hochrechnungen (Gewichtung); Eingabe der Daten in Datenbanken und Informationssysteme; maschinelle Zusammenführung mit anderen Erhebungen.
  8. Die Auswertungsphase (Statistische Grundauszählung, Analyse, Induktion u. Synthese):
    Bedarfs- und Hypothesen-geleitete tabellarische Darstellung; Berechnung einfacher statistischer Maßzahlen; graphische Darstellung; Datenanalyse mittels mehrdimensionaler statistischer Auswertungsverfahren; Modellrechnungen, Zeitreihenanalysen und Prognosen.

  9. Die Interpretationsphase (verbale Kommentierung der numerischen und graphischen Ergebnisse):
    quantitative Darstellung und Erklärung wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Sachverhalte mittels der statistischen Ergebnisse; Reformulierung bzw. Präzisierung der bisherigen Erkenntnisse zum Untersuchungsgegenstand; Nachbereitung des Forschungs- und Informationsprozesses.

  10. Die Rückkoppelungsphase (Verwertung der Ergebnisse im Entscheidungs- und Aktionsfeld, Weitergabe der Ergebnisse an Dritte):
    Umsetzung der statistischen Ergebnisse in Entscheidungen und Handlungsanleitungen; u.U. Entwicklung von Alternativkonzepten zu Handlungsentwürfen mit entsprechenden Modellrechnungen; Darstellung der Ergebnisse und ihrer Interpretation in wissenschaftlichen bzw. populärwissenschaftlichen Beiträgen; Weitergabe der Ergebnisse an die Befragten und/oder an die Presse; Aufbereitung des Datenmaterials für wissenschaftliche Spezialauswertungen; Bereitstellung von Datensätzen für Dritte.

b) Die Zirkularität des Prozesses

Da der Prozess mit einer theoretischen Phase beginnt und in der Interpretationsphase der Ergebnisse mit der Reformulierung und Präzisierung u.U. sogar mit der Gewinnung neuer Erkenntnisse mit der theoretischer Ebene rückgekoppelt wird, lassen sich die verschiedenen Komponenten und die Abfolge des Prozesses in einem zirkulären Ablauf darstellen. Dabei werden auch die einzelnen Phasen den Polen Theorie - Empirie - Statistik (jeweils gestrichelt umrahmt) zugeordnet.

In der nachfolgenden Abbildung werden die verschiedenen Komponenten und die Abfolge der einzelnen Schritte des Prozesses dargestellt.

Abbildung 1-2: Stadien des empirischen Forschungsprozesses

1. Entdeckung des Problems

2. theoretische Fundierung

3. methodische Spezifizierung

4. Operationalisierung

5. Datenerhebung

6. Codierung

7. Datenbereinigung

8. statistische Analyse
-

9. Interpretation

10. Verwertung

Wenn Sie mit den erläuternden Hintergrundmaterialien arbeiten wollen, können Sie die interaktive Version aufrufen.

Im interaktiven Tableau können Sie zu jeder Stufe weitere Informationen erhalten. Wenn Sie dazu mit dem Cursor Ziffern anklicken, öffnen sich Fenster mit Beispielen und weiteren Materialien.

c) Die logische Struktur des Prozesses

Die folgende Graphik (Abb. 1.3) reduziert den Gesamtprozesses in einem zweidimensionalen Schaubild auf seine wesentlichen Komponenten: Ihre Koordinaten geben

  • in der Horizontalen die Repräsentationsebenen (begrifflich, numerisch, u.U. auch graphisch) und
  • in der Vertikalen die Konkretionsformen (abstrakt, konkret)

des Forschungsgegenstandes wieder.

Dabei wird deutlich, dass der Prozess mit der Theorie, der Empirie, der Messung, der Statistik und über die Interpretation wieder mit der Theorie vier Komponenten umfasst, die jeweils auf ihre Weise die Realität abbilden. Es sind dies:

  • das theoretisch/begriffliche Modell der Begründungsphase,

  • das empirische Modell der Untersuchungsergebnisse aus der Erhebungsphase,

  • das numerische Modell der konkreten Datensätze nach der Kodierungsphase,

  • das statistische Modell nach der Analysephase und

  • das reformulierte theoretisch/begrifflich Modell der Ausgangsphase,

deren inhaltlicher Zusammenhang über den empirisch-statistischen Informations- und Forschungsprozess erhalten bleiben muss.

Abbildung 1-3: Logische Struktur des empirisch-statistischen Forschungs- und Informationsprozesses

Der Transformationsprozess dieser komplexen Modellen durchläuft unterschiedliche verbale und numerische Darstellungsformen und tangiert unterschiedliche Abstraktionsebenen. Die Zirkularität führt den Transformationsprozess auf höherem Erkenntnisstand wieder zu seinem logischen Ausgangspunkt, dem reale Informationsproblem zurück.

Gültige statistische Ergebnisse können dort allerdings nur erzielt werden, wenn es gelingt, die reale Substanz der verschiedenen Modelle über die gesamte Reichweite des Forschungsprozesses zu erhalten. Dies beinhaltet einmal

  • die Gewährleistung der Adäquanz, d.h. dass die verschiedenen Modelle der Realität in jeweils der Fragestellung und den Objekten adäquater Weise konkretisiert und abstrahiert werden und

  • Sicherstellung der Äquivalenz , d.h. dass die inhaltlichen Aussagen äquivalent aus der begrifflichen Darstellungsform in die numerische (und die graphische) und umgekehrt abgebildet werden.

In der Statistik wird diese Grundbedingung als Parallelität von Sach- und Zahlenlogik bezeichnet.


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